Rheinmetall Perfekta – Noch ein Mittelformat-Bakelit-Dinosaurier
17 21 Share TweetHeute möchte ich euch etwas über eine weitgehend unbeachtete Kamera schreiben. Man sieht sie gelegentlich mal im Internetauktionshaus oder auf Flohmärkten… Aber die große Euphorie wird ihr nicht entgegengebracht, jedenfalls nicht vergleichbar mit z.B. einer Diana oder Holga. Ich hab sie trotzdem mitgenommen, wenn auch nur als Dreingabe zu einer anderen Kamera. Aber sie hat durchaus ihre Qualitäten!
Die Kamera mit dem etwas hochtrabenden Namen kam 1953 auf den Markt und wurde 1957 von ihrer Nachfolgerin abgelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt entstanden über eine Million Exemplare, es war also schon eine Kamera für die Massen. Vom Aufbau her ähnelt sie sehr den anderen Nachfolgern der „echten“ Boxkameras der damaligen Zeit, wie z.B. der Agfa Clack. Man kann bis auf den Sucher nichts aufklappen oder ausfahren, mit der – nicht besonders dezenten – Größe muss man sich also anfreunden. In meinem Fall war es egal, da ich eine Bereitschaftstasche dazubekam. Als Taschenkamera taugt sie jedenfalls schon mal nicht. Und der Auslöser an der Vorderseite unterhalb des Objektives ist irgendwie auch nicht so ergonomisch.
Hat sie denn auch Vorzüge, die den Namen „Perfekta“ wenigstens etwas rechtfertigen? Ja, hat sie.
Aber lassen wir da erst einmal die Anleitung zur Kamera etwas zum Thema beitragen. Bereits auf der ersten Seite werden Vorzüge aufgezählt: Das Objektiv wird als „leistungsfähig“ bezeichnet (hüstel), der Mangel an Einstellungsmöglichkeiten wird als Vorteil genannt, da die Kamera so „stets aufnahmebereit“ ist und so dem Anfänger „sicheres und zuverlässiges Arbeiten“ garantiert. Auf der nächsten Seite kommt dann der erste Vorzug, dem ich guten Gewissens zustimmen kann: Die Sperre für Doppelbelichtung. Sowas hab ich tatsächlich bei den einfachen Boxkameras und ihren Nachfolgern noch nicht gesehen. Der Verschluss wird beim Weiterdrehen des Filmes erst gespannt, vorher kann man draufdrücken, wie man will, es wird nicht ausgelöst. Auf der Rückseite der Kamera befindet sich das wohlbekannte Sichtfenster, um die Zahlen auf dem Film erkennen zu können. Abgedeckt ist es wie bei vielen Mittelformatkameras mit einem kleinen Schieberchen, in diesem Fall muss er aber nicht von Hand betätigt werden, sondern man dreht die Kamera einfach auf den Kopf, dann wird das Sichtfenster freigegeben. So, jetzt nehmen wir die alte Dame einmal in die Hand, um ein Bild zu machen. (Hierbei sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass – vom Auslöser mal abgesehen – die Kamera wirklich gut in der Hand liegt).
So, wir haben unser Motiv gefunden, was kann/muss man denn jetzt alles einstellen? Zuerst entscheiden wir uns einmal zwischen B und M. B ist der allseits bekannte Bulb-Modus für Langzeitbelichtungen, M ist die (einzige) Zeit für Momentaufnahmen. Diese ist den Filmempfindlichkeiten im Herstellungszeitraum angepasst und entspricht ungefähr 1/25. Meine Hand würde ich da aber nicht ins Feuer für legen. Die Zeit ist jedenfalls relativ gemütlich, es schadet nichts, die Kamera beim Fotografieren etwas aufzustützen, damit nichts verwackelt. Als nächstes müssen wir uns überlegen, wie weit unser Motiv entfernt ist. Das ist wichtig, damit wir die richtige Blende einstellen können! Als absolut geringste Entfernung sind in der Anleitung drei Meter angegeben bei Blende f/16. Bei Blende f/11 sind es schon 3,80m, und bei der kleinsten Blende, die aus mir unbekannten Gründen die ungewöhnliche Größe f/7,7 trägt, geht der Spaß erst bei 4,5m los und – Obacht! – endet bereits bei 40m. Also nichts mit unendlich. Generell zeichnet die Linse eher weich, insbesondere bei der größten Blendenöffnung. Auf einigen Bildern fühlte ich mich an die verträumte Optik einer Diana erinnert.
Jetzt geht es ans Zielen, also Sucher ausklappen. Beim ersten Mal muss man noch ein bisschen schmunzeln. Ja, es gibt wirklich nur den sogenannten „Sportsucher“, man kennt ihn vielleicht schon von der Lubitel, wobei es bei der nur ein – nie genutzter – Zusatz ist, nicht wie bei der Perfekta der einzige Sucher. Vereinfacht gesagt sind es zwei Platten, durch deren Öffnungen man das Motiv anpeilt. Es ist schon sehr grob, aber es funktioniert. Man sollte allerdings rund um das Motiv am besten schon ein wenig Platz lassen.
Tja, und wenn wir an der Vielzahl der Einstellungsmöglichkeiten (haha) nicht gescheitert sind, können wir jetzt auf den Auslöser drücken. Wir finden ihn, wie oben schon beschrieben, auf der Vorderseite der Kamera. Fertig! Ein paar Beispiele für die Fähigkeiten der Perfekta seht ihr in der nachfolgenden Galerie. Danke fürs Lesen, und denkt an den Artikel, wenn mal wieder eine Perfekta auf dem Trödelmarkt ein neues Zuhause sucht. Unsummen würde ich da vielleicht nicht für zahlen, aber die werden wohl auch nicht gefordert werden…
2013-01-29 #gear #review #vintage #ddr #mittelformat #bakelit #rheinmetall #perfekta marcel2cv の記事
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